«Bond Crash» in den USA?

  • Möglicherweise bleiben die Leitzinsen in den USA für eine längere Periode auf hohem Niveau („higher for longer“) und könnten folglich die Aktienmärkte zunehmend belasten.
  • Wir werden in den kommenden Wochen deshalb die Übergewichtung der Aktienquote auf Strategieniveau zurückführen («Rebalancing»).
  • Es ist davon auszugehen, dass Rohstoffe erst am Anfang eines neuen mehrjährigen Zyklus stehen.
Matthias Wirz
«Da aufgrund der höheren Inflations- und Wachstumserwartungen nicht mit einer zeitnahen Erholung des USD-Obligationenmarktes zu rechnen ist, dürften den Aktienmärkten ein «schwieriges» zweites Quartal bevorstehen.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

In den USA überraschte im März die Inflationsrate mit einem über Erwarten starken Anstieg um jeweils 0.4% für die Gesamt- und Kernrate im Monatsvergleich. Damit ergibt sich die dritte monatliche negative Überraschung in Folge und könnte damit eine Trendwende hin zu nicht nur temporär, sondern beständig höheren Teuerungsraten in diesem Jahr darstellen. Selbst wenn die Kernrate im Vorjahresvergleich unverändert bei 3.8% verharrte, signalisiert die Dynamik in der kurzfristigen Betrachtung erneut aufkommenden Inflationsdruck: die annualisierte Teuerungsrate über drei Monate stieg im März auf 4.5% an, verglichen mit dem Tiefpunkt im August 2023 bei 2.6%.


Aktuelle Situation

Entsprechend «verschnupft» reagierten die globalen Anleihemärkte, wobei die 10-jährige USD-Staatsanleiherendite um 0.20% von 4.36% auf 4.56% in die Höhe schoss und die Renditen der europäischen Obligationenmärkte mitzog. Mittlerweile preist der Geldmarkt nur noch eine Wahrscheinlichkeit von 20% für einen ersten Zinsschritt von 0.25% im Juni ein und bis Dezember werden nur noch etwa 0.50% erwartet, verglichen mit 1.60% Anfang Jahr. Möglicherweise bleiben die Leitzinsen in den USA für eine längere Periode auf hohem Niveau („higher for longer“) und könnten folglich auch die Aktienmärkte, welche in der Berichtswoche mit Kursverlusten von 1% - 2% bisher noch relativ gelassen reagierten, zunehmend belasten. Als weitere Konsequenz dürfte das FED seine Inflations- und Zinsprognosen im Juni nach oben anpassen, sodass die Hürde für Leitzinssenkungen in den kommenden Monaten hoch sein wird. Somit kann der Juni für einen ersten Zinsschritt nahezu ausgeschlossen werden.

Solange die Aktien- und Obligationenmärkte die erwarteten Leitzinssenkungen des FED jedoch nicht grundsätzlich in Frage stellen oder von weiter steigenden Leitzinsen ausgehen, sollten Korrekturen an den Aktienmärkten aber begrenzt bleiben. Für Erleichterung sorgte hingegen EZB-Präsidentin Lagarde, welche an der Pressekonferenz nach der monatlichen Sitzung den abnehmenden Inflationsdruck in der Eurozone bestätigte und eine erste Leitzinssenkung im Juni um 0.25% ankündigte. Hierbei stellt sich angesichts der anhaltend hohen Dienstleistungsinflation allerdings ebenfalls die Frage nach der Anzahl der zu erwartenden Zinssenkungen.

Zunehmend rückt die Berichterstattung der Unternehmen zum 1. Quartal in den Mittelpunkt der Marktteilnehmer. Den Anfang machen die amerikanischen Grossbanken JPMorgan Chase, Wells Fargo, Citigroup und BlackRock, wobei neben der Gewinnentwicklung vor allem die Höhe der Rückstellungen für kommerzielle Immobilien von Bedeutung sein werden. In der Woche ab dem 22. April werden dann 163 Unternehmen oder 40% der Marktkapitalisierung des S&P 500 berichten und folglich den Aktienmärkten neue Impulse verleihen, sofern die Schätzungen für das Gewinnwachstum von 5.0% übertroffen werden. Das könnte durchaus gelingen, da die US-Wirtschaft im 1. Quartal eine deutlich stärkere Wirtschaftsaktivität verzeichnete als zu Beginn des Jahres noch erwartet wurde.


Unsere Empfehlung

Da aufgrund der höheren Inflations- und Wachstumserwartungen nicht mit einer zeitnahen Erholung des USD-Obligationenmarktes zu rechnen ist, dürften den Aktienmärkten ein «schwieriges» zweites Quartal bevorstehen. Zusätzlich sind diese mittlerweile am oberen Ende des Bewertungsbandes angelangt, wobei in den USA die gross kapitalisierten Technologieaktien (u.a. APPL, MSFT, AMZN, NVDA,…) einen hohen Anteil der Überbewertung tragen. Der breite US-Markt ist dagegen, wie auch der Schweizer Aktienmarkt mit seinen defensiven Grossunternehmen Nestlé, Novartis und Roche, nicht als teuer einzustufen.

Wir werden in den kommenden Wochen dennoch die Übergewichtung der Aktienquote auf Strategieniveau zurückführen («Rebalancing»).  Die Positionen im Rohstoffbereich (Energie, Gold und Basismetalle) werden hingegen unverändert weitergeführt und bei Rückschlägen aufgestockt. Es ist davon auszugehen, dass die genannten Rohstoffe erst am Anfang eines neuen mehrjährigen Zyklus stehen. Infolge der fulminanten Kursgewinne seit März dürfte aber kurzfristig eine Konsolidierung anstehen.

Taktische Positionierung

Obligationen: Untergewichtung; kurze und mittlere Laufzeiten bevorzugen, Unternehmensanleihen übergewichten
Aktien: Leichte Übergewichtung; Schweiz, USA und UK übergewichten; Japan, Schwellenländer und Europa neutral gewichten
Währungen: USD/CHF über 0.88 absichern und EUR/CHF über 0.96 absichern
Rohstoffe: Industriemetalle, Energie übergewichten
Edelmetalle: Gold übergewichten; Silber und Platin neutral
Immobilien: Übergewichtung (Anlagestiftungen, Immobilienfonds)
TransaktionenAktien: - ; Obligationen: 1.5% Swiss Life 2030
Sektoren: Übergewichtung Gesundheit, nicht zyklischer Konsum, US Tech-Megacaps
Themen: Basismetalle und Energie

Matthias Wirz, 12. April 2024