Finanzmarktausblick 2. Quartal 2024

Resistente Weltwirtschaft

  • Robuste Konjunkturlage in den USA
  • Inflationsraten beharrlich über 3%, Leitzinssenkungen ab Juni erwartet
  • Teilweise hohe Bewertungen – steigende Energiepreise
  • US-Dollar deutlich überbewertet
Matthias Wirz
«Die jüngsten Kommentare und Entscheidungen des FED und der SNB intensivieren die Hoffnung der Marktteilnehmer auf zeitnahe Leitzinssenkungen.» Matthias Wirz, Leiter Anlagestrategie und Vermögensverwaltung, Partner

Der Marktkonsens geht unverändert von einem «Soft-Landing-Szenario» in diesem Jahr aus, indem es zwar zu einer Abkühlung der Weltwirtschaft kommt, jedoch nicht zu einer Rezession. Gleichzeitig sinken die Inflationsraten stetig weiter, sodass die wichtigen Notenbanken spätestens ab Juni erste Leitzinssenkungen beschliessen können.

Die amerikanische Notenbank (FED) hat an ihrer letzten Sitzung die Konjunkturprognosen für 2024 leicht angehoben. Überdies scheint die Rezession in der US-Industrie – welche indes lediglich ca. 12% zum Wirtschaftswachstum beiträgt – beendet zu sein, wie die Zunahme des Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie von 47.8 auf 50.3 im März signalisiert. Hingegen verlor der PMI des Dienstleistungssektors, welcher seit der Corona-Krise mit einer Ausnahme stets über der 50-Marke notierte, mit einem Rückgang von 52.6 auf 51.4 geringfügig an Dynamik. Gleichzeitig hat das FED die Inflationserwartungen trotz des gegenwärtigen Wiederanstiegs beinahe unverändert belassen. Entsprechend geht das Offenmarktkomitee (FOMC) weiterhin von drei Zinsschritten bis Ende Jahr aus. Folglich hat die Wahrscheinlichkeit zugenommen, dass das FED die Zinswende im Juni einleiten wird.

Europa ist die einzige Region, welche seit Mitte 2022 Nullwachstum verzeichnet und auch in den kommenden Monaten in einer (technischen) Rezession verharren dürfte. Keine Unterstützung liefert dabei Deutschland, wo der ifo-Geschäftsklimaindex nur eine äusserst zaghafte Konjunkturerholung in Aussicht stellt. Dagegen nimmt die Wirtschaftsaktivität in China aufgrund der expansiven Fiskal- und Geldpolitik zu. 


Unsere Anlagepolitik

Konjunkturdaten:

Die trotz der restriktiven Geldpolitik robuste Konjunkturlage in den USA unterstützt die risikotragenden Anlagekategorien. Wichtiger sind jedoch die jüngsten Kommentare und Entscheidungen der amerikanischen Zentralbank (FED) und der Schweizerischen Nationalbank (SNB), welche die Hoffnung der Marktteilnehmer auf baldige Leitzinssenkungen intensivieren.

Übergewichtung von Aktienanlagen

Aufgrund der im historischen Vergleich inzwischen hohen Bewertungen ist die Wahrscheinlichkeit eines grösseren Kurseinbruchs in den kommenden 1-2 Jahren gestiegen. Dieses Jahr könnten Zinssenkungserwartungen und der «KI-Boom» die Kurse weiter in die Höhe treiben. Die hohe Bewertung des S&P 500 wird jedoch durch die Indexschwergewichte Meta, Amazon, Microsoft, Apple und Alphabet sowie Nvidia verzerrt. Der breite Markt ohne diese Titel ist demgegenüber nicht als überbewertet einzuordnen. Wir behalten die Übergewichtung der Aktienanlagen vorerst bei.

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Anleihen mit kurzen oder langen Laufzeiten sind zu bevorzugen

Leitzinssenkungen der Notenbanken und leicht fallende Langfristzinsen führen zu überdurchschnittlichen Erträgen auf kurz- und langlaufenden Obligationen. Aufgrund der inversen Zinskurven sind mittlere Laufzeiten zwischen 3 und 6 Jahren nicht interessant. Dabei empfehlen wir Unternehmensanleihen guter Bonität.

Immobilienfonds profitieren von tieferen Zinsen

Die kotierten Immobilienfonds haben positiv auf die überraschende Leitzinssenkung der SNB reagiert. Der durchschnittliche Aufpreis zum inneren Wert (Agio) ist aufgrund sinkender Langfristzinsen bereits vorgängig von 5% Ende 2023 auf gegenwärtig 11% angestiegen. Der Immobilienmarkt für Wohnliegenschaften zeigt sich mit sinkenden Leerständen, stabilen Mieten und steigenden Substanzwerten in einer soliden Verfassung. Entsprechend kann mit stabilen Ausschüttungsrenditen von ca. 3% und wieder zunehmenden Agios gerechnet werden. 

Edelmetalle und Rohstoffe: Anstieg des Gold- und Erdölpreises

Die internationale Energieagentur (IEA) warnte, dass ab dem zweiten Quartal infolge reduzierter Förderquoten ein Defizit in der Ölversorgung anstehen wird. Der Ölpreis dürfte demnach in den kommenden Monaten weiterhin auf dem aktuell hohen Niveau von über USD 80 pro Barrel notieren. Tiefere Zinsen, zunehmende ETF-Volumen und anhaltenden Käufen der Zentralbanken aus den Schwellenländern sollten den Goldpreis auf künftig antreiben.

Dominik Nussbaumer
«Im Gegensatz zu den grosskapitalisierten Tech-Aktien ist der breite US-Aktienmarkt relativ moderat, der schweizerische sogar unter seinem historischen Durchschnitt bewertet. Es besteht somit Spielraum für weitere Kursavancen.» Dominik Nussbaumer, Geschäftsleitung, Partner

Währungen: Abschwächung des harten CHF

Der CHF sollte infolge der unerwarteten Leitzinssenkung der SNB an Wert verlieren. Dagegen wird die Beendigung der langen Phase negativer Leitzinsen durch die Bank of Japan (BOJ) dem JPY Auftrieb geben.

Alternativen zu unserer Anlagestrategie und Hauptszenario

Das Hauptszenario wurde gegenüber unserem Ausblick Ende 2023 wahrscheinlicher. Hingegen ist das negative Szenario als unwahrscheinlicher einzustufen und unser positives Szenario ist eher zu erwarten.

Negatives Szenario: Rezession / Stagflation (Eintretenswahrscheinlichkeit gering)

In diesem Szenario verharren die Teuerungsraten hartnäckig über dem Zielbereich der Notenbanken von zumeist 2%. Des Weiteren hat sich diese in den USA zuletzt sogar wieder erhöht und könnte sich aufgrund zunehmenden Energiepreise und/oder stark steigenden Löhne weiter beschleunigen.  

In der Folge werden die Zentralbanken entgegen den Markterwartungen ihre Leitzinsen – wenn überhaupt - nur geringfügig spät in der zweiten Jahreshälfte senken, wodurch die langfristigen Zinsen erneut kräftig ansteigen. Das bisher vorherrschende Soft-Landing-Szenario am Markt wird durch den stärker werdenden Konjunkturabschwung und entsprechende Rezessionsszenarien abgelöst. Dadurch weiten sich die Kreditrisikoprämien an den Anleihemärkten aus, begleitet von einer Korrektur an den Aktienanlagen. Im Gegensatz dazu verzeichnen «sichere Häfen» wie Staatsanleihen mit guter Bonität, Gold sowie die Währungen CHF und JPY Kursgewinne. 

Wir halten ein solches Szenario für möglich, aber aus heutiger Sicht ist die Eintrittswahrscheinlichkeit gesunken und gering.

Positives Szenario: rascher Konjunkturufschwung (Eintretenswahrscheinlichkeit  eher tief)

In diesem Szenario sinken die Inflationsraten frühzeitig und auf breiter Basis, sodass auch die Kernraten in den Zielbereich der Notenbanken fallen. Diese gewinnen dadurch an Spielraum und beschliessen zügig mehrere Leitzinssenkungen. Die rasche Lockerung der Geldpolitik führt überdies zu weiter sinkenden Langfristzinsen, welche wiederum die Wirtschaftsaktivität positiv beeinflussen. Darüber hinaus verstärkt die dadurch steigende Zuversicht in der Industrie und der Konsumenten die Investitionstätigkeit und damit die wirtschaftliche Erholung, sodass Aktien stark nachgefragt werden.

Aus heutiger Sicht ist dieses Szenario eher unwahrscheinlich.

Matthias Wirz, 15. April 2024